Industrie 4.0 – Anforderungen an Schutzhandschuhe
Veröffentlicht: 06.02.2020
Touchscreenfähigkeit und ESD-Eignung
Mit der Digitalisierung finden berührungsempfindliche Displays an immer mehr Arbeitsplätzen Verbreitung. Zunehmend wird deshalb nach Arbeitsschutzhandschuhen mit „Touch“-Eignung gefragt. Doch was steckt hinter der Technik, was muss der Handschuh können und wie erkenne ich einen geeigneten Handschuh?
Die Industrie 4.0 hält zunehmend Einzug in den betrieblichen Alltag. Gut sichtbar durch berührungsempfindliche Bildschirme, „Touch“-fähige Eingabemöglichkeiten an Maschinen sowie privaten oder gestellten Smartphones. Sie ermöglichen dem Mitarbeiter jederzeit Zugriff auf eine Vielzahl digitaler Informationen am selben Gerät. Oftmals genauso intuitiv, wie er oder sie es vom Smartphone gewohnt ist.
Zugleich sind industrielle „Touch“-Steuerungen und -Displays durch das Fehlen mechanischer Teile staub- und wasserresistent. Die Digitalisierung spart Papier, während gleichzeitig die angeschlossene IT-Landschaft Informationen sofort und jederzeit auffindbar dokumentiert.
Displaytechnologien kurz erklärt
Für Touchscreens existieren verschiedene Technologien: Genutzt werden optische Systeme, die genau betrachtet nicht die Berührung, sondern den Finger in der Nähe der Displayoberfläche detektieren. Beispielsweise wenn ein Gitter aus IR-Lichtschranken durchbrochen wird oder indem die Bewegung von einer Kamera erkannt wird.
Resistive Displays basieren auf zwei dünnen, voneinander isolierten, leitfähigen Schichten. Durch Berührung werden diese zusammengepresst, was eine messbare Unterbrechung der Isolation bewirkt. Beide Technologien funktionieren prinzipiell unabhängig vom Eingabegerät: Finger. Handschuh. Stift. Mit allem kann eine Eingabe erfolgen.
Am verbreitetsten ist die kapazitive Technologie, da sie günstig, robust und in den etablierten Verfahren der Displayherstellung gut integriert ist. Zudem lassen sich mehrere gleichzeitige Eingaben bis hin zu Fingergesten zuverlässig erfassen. Technisch wird dazu zwischen zwei dünnen, leitfähigen Schichten ein elektrisches Wechselfeld generiert, das bei Annäherung z.B. eines Fingers durch Ableiten eines Teils der Ladung seine Kapazität verändert. Wie bei resistiven Displays können durch Strukturierung und Anordnung der Schichten die Genauigkeit und die Zahl gleichzeitig möglicher Eingaben beeinflusst werden. Nachteil ist jedoch, dass bei kapazitiven Displays eine Ableitung nötig ist. Folglich funktionieren elektrisch isolierende Materialien, hierzu zählen die meisten Handschuhe, nicht oder nur unzuverlässig.
Dies führt im Alltag dazu, dass Mitarbeiter, um einen Touchscreen zu bedienen, den Schutzhandschuh ausziehen und nach der Eingabe wieder anziehen müssen. Das ist lästig und kostet Zeit, aber darüber hinaus erhöht es das Risiko von Kontaminationen oder Verletzungen, da so die Schutzfunktion des Handschuhs fehlt.
Da die Präsenz von Touchscreens auch an Arbeitsplätzen zunimmt, an denen persönliche Schutzausrüstung (PSA) getragen werden muss, sind Schutzhandschuhe gefragt, die neben ihren bisherigen, den Mitarbeiter und/oder das Produkt schützenden Eigenschaften zusätzlich eine „Touch“-Fähigkeit mitbringen.
Aus der anderen Richtung wird in der Montage zunehmend mit Bauteilen und Komponenten hantiert, die empfindlich auf elektrische Entladungen (ESD - electrostatic discharge) reagieren. Was früher nur in der Mikroelektronik und IT-Montage zu finden war, ist inzwischen in Haushaltsgeräten, Beleuchtungen sowie im Maschinen- und Anlagenbau Standard. Auch der klassische Montagehandschuh soll deshalb elektrostatische Entladungen zuverlässig verhindern.
Noch kritischer sind Anwendungsfelder, in denen statische Aufladungen abgeleitet werden müssen, um eine Brandentstehung oder Explosionen zu verhindern.
Normative Anforderungen und Kennzeichnung
Wenig überraschend gibt es aus diesem Grund eine Vielzahl an Normen, Regelwerken der Berufsgenossenschaften und unternehmensinternen Prüfvorschriften. Nur zum Teil beziehen sich diese konkret auf Schutzhandschuhe. Die Normenreihe DIN EN 1149 und die DIN EN 16350 entstammen dem Explosionsschutz und definieren Schutzkleidung bzw. -handschuhe, die über eine ausreichende Ableitfähigkeit verfügen, um die Bildung zündfähiger Entladungen zu verhindern. Jedoch ist nur die DIN EN 16350 explizit für Schutzhandschuhe anzuwenden.
Inhaltlich sollen die Ausrüstung des Mitarbeiters und die Arbeitsumgebung eine ausreichende Leitfähigkeit aufweisen, um eine geschlossene Erdungskette zu ermöglichen. Dies erfordert nicht nur die Verteilung der Ladung, sondern eine Ableitung. Die DIN EN 1149-5 definiert Grenzwerte für Halbwertszeit und Abschirmungsfaktor elektrostatischer Ladung sowie den Oberflächenwiderstand ableitfähiger Schutzkleidung. Die DIN 16350 erfordert dagegen einen maximalen Durchgangswiderstand von < 108 Ω, unter der Annahme, dass Schutzhandschuhe auf der Haut getragen werden und eine Erdung über den Träger erfolgt.
Eine Kennzeichnung mit Piktogrammen ist für geprüfte Schutzhandschuhe bisher nicht vorgesehen. Die Nutzung des Piktogramms, wie es in der DIN EN 1149 für Schutzkleidung existiert, ist erst mit der Erarbeitung der zukünftigen Schutzhandschuhnorm DIN EN ISO 21420 vorgesehen.
Piktogramm gemäß DIN EN 1149, zukünftig auch für Schutzhandschuhe (prEN ISO 21420:2018) | Symbolische Kennzeichnung für ESD-Schutzhandschuhe, in Anlehnung an die Kennzeichnung, wie sie bspw. in DIN EN 61340-5-1 für Verpackungen empfohlen wird |